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Hier der Artikel zum Lesen.
Schuhlos glücklich
Wenn die Speyererin Selina Hocke in diesen kalten Novembertagen auf der Straße unterwegs ist, erntet sie viele ungläubige Blicke. Denn: Die 39-Jährige trägt keine Schuhe. Sie läuft barfuß. Fast immer, und zwar fast überall hin. Die RHEINPFALZ hat sie zu einem Spaziergang durch die Speyerer Innenstadt begleitet.
(VON ANNA WARCZOK)
Die Blicke der Passanten in der Maximilianstraße wandern langsam vom Gesicht der jungen, schlanken Frau mit den dunklen, kurzen Haaren nach unten, die dicke schwarze Winterjacke und die Thermohose entlang zu ihren Füßen. Dann wieder nach oben, und wieder nach unten. Einige schauen schnell weg, andere runzeln die Stirn.
Solche Reaktionen ist Selina Hocke mittlerweile gewöhnt. Unter ihrer Hose blitzen ihre nackten Füße hervor. Sind sie nicht eiskalt? „Doch, die Füße sind kalt, aber ich friere nicht“, sagt Hocke und hebt zur Erklärung ihr Hosenbein an. Darunter: Leggins, Jeans und dicke Stulpen. „Wenn der Körper bis zu den Knöcheln warm eingepackt ist, gleichen die Füße den Rest aus“, sagt sie.
Bei wenigen Grad über Null barfuß über kaltes Kopfsteinpflaster zu laufen, will dennoch geübt sein. „Heute Morgen habe ich wieder eine persönliche Grenze geknackt“, sagt Hocke. Bisher habe ihre Barfuß-Kälteschmerzgrenze bei 5 Grad Außentemperatur gelegen. Sie strahlt. „Das Sparkassen-Thermometer hat heute aber 2 Grad angezeigt.“
An noch niedrigere Temperaturen muss sich die 39-Jährige erst herantasten. Barfuß ist sie erst seit einigen Monaten unterwegs. Dabei hätte sie selbst nie gedacht, dass sie einmal ohne Schuhe durch die Innenstadt laufen würde. „Ich bin Krankenschwester, habe schon alle möglichen Verletzungen gesehen. Schnitte, entzündete Wunden – nein danke, dachte ich immer übers Barfußlaufen.“ Wenn ihre drei kleinen Töchter früher irgendwo Schuhe oder Socken ausziehen wollten, habe sie sie immer ermahnt: „Macht das nicht. Ihr werdet krank.“
Dann kam der 21. August dieses Jahres. Es war ein warmer Tag, Hockes Füße waren müde, ihre Schuhe störten sie. „Wir waren auf dem Weg nach Hause. Meine Kinder zogen ihre Schuhe aus, und ich tat es dann einfach auch“, erzählt sie. An die ersten nackten Schritte auf der Straße erinnert sie sich genau: „Der Boden war sehr krisselig. Mit fast jedem Schritt spürte ich einen neuen Impuls. Es war ein tolles Gefühl.“
Diese Erfahrung ließ sie nicht mehr los. Die Speyererin beschloss, ihre Schuhe öfter im Schrank zu lassen. Ganz weglassen wollte sie sie aber nicht. „Ich hab’ mich nicht hingestellt und gesagt: Ich bin ab jetzt Barfußläuferin.“ Zu dogmatisch sei ihr eine solche Einstellung. Sie entscheide von Tag zu Tag, ob sie Lust darauf habe oder nicht. Schuhe habe sie seither dennoch selten getragen, sagt sie: „Eigentlich nur bei der Arbeit und einmal bei einem Auftritt meines Chors, weil ich darum gebeten wurde. Und zum Altstadtfest. Da liegt so viel Zeug auf dem Boden, da ginge ich nie barfuß hin.“
Auch auf der Maximilianstraße ist einiges los: Passanten huschen über die Straße, die Vorbereitungen auf den Weihnachtsmarkt laufen auf Hochtouren. Auf dem Boden liegen Kabel, Glasscherben, Müll. Gekonnt weichen Hockes gepflegte Füße mit den dunkel lackierten Nägeln all dem aus. Sie läuft zügig, blickt kaum auf den Boden. Das war in den ersten schuhfreien Wochen anders: „Am Anfang ist man total konzentriert aufs Laufen, guckt starr vor sich auf den Boden, ob da was liegt.“ Auch das habe ihr gefallen. „Man ist so fokussiert, dass man vom Drumherum nichts mitbekommt. Ich habe gemerkt, dass es mir sehr dabei hilft, den Kopf zu entspannen.“
Achtsamkeit nennt sich das im Jargon der Barfußläufer. Doch nicht nur mentale, auch körperliche Veränderungen hat Hocke an sich bemerkt, seit sie auf Schuhe verzichtet. „Ich habe eine Fußfehlstellung und seit Ewigkeiten Schmerzen im linken Fuß, bei denen mir kein Arzt sagen kann, woher die kommen“, sagt sie. Seit sie barfuß unterwegs ist, gehe es ihren Füßen viel besser. „In den meisten Schuhen werden die Zehen zusammengedrückt. Das begünstigt unter anderem die Entstehung eines Hallux“, erklärt Hocke. Wenn sie Schuhe trage, dann meist sogenannte Barfußschuhe, die das schuhfreie Gefühl nachempfinden.
Aber meist bleiben auch die im Schrank. Sie liebe es, barfuß durch die Stadt zu laufen und dabei alle möglichen Untergründe zu spüren, so Hocke. Was sie nicht mag? „Rindenmulch! Das ist mein Feind“, erklärt sie und lacht. Verletzt habe sie sich beim Barfußlaufen nur einmal: „Eine Glasscherbe. Zuhause habe ich aber sofort desinfiziert. Zum Glück ist nichts weiter passiert.“ Ihre Familie unterstützt Selina Hocke bei ihrer Entscheidung, barfuß zu laufen. „Meine Kinder finden es toll. Meine ältere Tochter hat auch mit dem Barfußlaufen angefangen. Und mein Mann sagt, ich solle einfach mein Ding durchziehen.“
Eine Passantin bleibt entgeistert stehen. „Ist das eine Therapie?“, fragt sie Hocke und blickt auf die Füße. Die lächelt, erklärt, nein, sie laufe einfach gerne barfuß. „Das könnte ich nicht. Da müsste ich ständig auf Toilette“, erwidert die Frau lachend. Sie geht weiter. Solche Fragen machten ihr nichts aus, sagt Hocke später. Auch blöde Sprüche nicht – die lächele sie meist weg. „Von außen betrachtet muss ich auf einige verrückt wirken. Aber ich tue ja nichts Schlimmes, sondern einfach etwas Gutes für mich“, sagt sie. „Ich finde, jeder sollte so sein, wie er will.“
Zur Sache: Barfußlaufen
Wer auf Schuhe verzichten will, sollte die richtige Lauftechnik üben, rät Selina Hocke interessierten Anhängern. “Es ist wichtig, nicht zu laufen wie in Schuhen, also nicht aus der Ferse heraus“, erklärt sie. Von den meisten Barfuß- Experten werde ein Vorderfuß- oder Mittelfußgang empfohlen. “Wie eine Katze“, verdeutlicht Hocke. Dabei würden die Fußmuskeln wieder so beansprucht wie es die Natur vorgesehen habe. Anfänger sollten sich langsam herantasten. “Lieber erst kurze Strecken ausprobieren“, rät sie. Haut und Muskeln müssten sich an die Beanspruchung gewöhnen. Einen besonderen Tipp für die kalten Tage hat Hocke auch: “Kein Koffein trinken. Das zieht die Gefäße zusammen.“
IM NETZ
Über ihre schuhlosen Erfahrungen berichtet Hocke auf ihrem Blog.
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Danke Frau Warczok für den wunderschönen Artikel, danke Herr Landry u.A. für das tolle Foto u.d danke an die Redaktion für das Abdrucken ♥👣😎
Passt auf euch auf 👣♥